Sehr geehrter Herr Landtagspräsident,
verehrte Kolleginnen und Kollegen,
Teilhabe und Mitwirkung von Senioren in Rheinland-Pfalz, das klingt so selbstverständlich. Aber dahinter liegt eine Lebenswirklichkeit, die wir uns hier teilweise gar nicht vorstellen können. Denn es geht um ältere Menschen, die sich alleine fühlen, die einsam sind. Menschen, die alleine in ihrer Wohnung oder ihrem Haus sitzen und am Tag null Kontakt haben.
Menschen, die jedes Lebensmittel einzeln kaufen gehen, nur um mit der Kassiererin ein Wort spre-chen zu können. Menschen, die zu Hause den ganzen Tag den Fernseher laufen lassen, nur um eine Stimme zu hören. Menschen für die jeder Arztbesuch eine Bereicherung ist, weil ihnen dann jemand zuhört. Genau deshalb ist uns dieses Thema so wichtig.
Teilhabe und Mitwirkung von Senioren in Rheinland-Pfalz. Denn es geht darum Impulse zu setzen, die älteren Menschen ermöglichen Kontakte zu halten und neue Kontakte zu knüpfen. Denn dies gibt Erfüllung und letztlich Lebensfreude. Und deshalb müssen wir dieses Thema ernst nehmen. Denn es geht um die Fürsorge für Menschen und es geht um Prävention. Denn aus Einsamkeit und Isolation resultieren seelische Krankheiten, und die haben Auswirkungen auf die körperliche Ver-fassung und die Gesundheit.
Und genau deshalb ist der CDU-Fraktion die Seniorenteilhabe und Mitwirkung so wichtig. Und ge-nau darum arbeiten wir so dauerhaft an diesem Thema. Die Große Anfrage zeigt zwar, dass es auf Landesebene einige Netzwerke und Initiativen gibt. Aber wenn man dahinter schaut ist dies nur eine oberflächliche Schaufensterpolitik.
Die Frage ist doch, was kommt unten wirklich an? Was hat eine Seniorin oder ein Senior in Pirma-sens, in der Eifel oder im Hunsrück davon? Dies beantwortet die Große Anfrage nicht. Ich habe mir die entsprechenden Internetseiten angeschaut. Und vielleicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, sollten Sie dies auch einmal tun. Und auch Ihnen, sehr geehrter Herr Staatsminister Schweitzer, kann ich dies nur empfehlen.
Ich möchte betonen, dass ich vor jedem Ehren- und Hauptamtler, der sich für ältere Menschen engagiert Respekt habe, dieses Engagement ist wichtig und gut. So gibt es das Landesnetzwerk „Anlaufstellen für ältere Menschen in Rheinland-Pfalz“, letzte Mitteilung Oktober 2023, es geht um die Mitgliederversammlung und ein Hinweis auf die Landesdemographiewoche.
Landesinitiative „Neue Nachbarschaften“ – hier werden Initiativen registriert. U. a. wird auf die Förderung von 70 Computertreffs in Rheinland-Pfalz hingewiesen, wie viele Treffs noch bestehen und wie viele Senioren erreicht wurden, erschließt sich nicht. Oder Silver Surfer Fachtagung 2023 mit dem Thema „KI im Smart Home – Chancen und Herausforderungen“. Schauen Sie sich den Inhalt dieser Fachtagung einmal an, ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte. Ein paar Beispiele:
CO 2‑Sensoren messen die Lichtqualität und sorgen für ein angenehmes Raumklima
Beschattung und Jalousien öffnen und schließen sich automatisch, abhängig von Tempera-tur, Sonnenstand
Das Licht in der Wohnung aktiviert sich bei Anwesenheit und Dunkelheit situationsange-passt ohne Interaktion des Bewohners.
Sind das die drängendsten Probleme unserer älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger, verehrte Kol-leginnen und Kollegen? Das interessiert nur wenige Senioren. Die meisten müssen doch nied-rigschwellig abgeholt werden und brauchen keine Luftschlösser. Viele haben noch nicht einmal das Geld, um sich ein Smartphone zu kaufen. Und dann zum wiederholten Mal die Digibotschafter und die Gemeindeschwester plus. Wie heißt es in der Antwort: Die Landesregierung fördert auf Antrag der Landkreise und kreisfreien Städte bis zu 1,5 Fachkraftstellen Gemeindeschwester plus.
Wir haben in Rheinland-Pfalz 24 Kreise und 12 kreisfreie Städte, macht 36 x 1,5 Stellen = 54 Stellen innerhalb der Legislaturperiode. Genau dies sieht der Koalitionsvertrag auch vor. Grundlage für die Berechnung der Anzahl war damals aber Menschen über 80 Jahre ohne Pflegegrad zu erreichen. Inzwischen ist die Altersgrenze abgesenkt. Auf welches Alter ist leider nicht bekannt.
Logischerweise sind es dann mehr ältere Menschen, die dies in Anspruch nutzen können. Diese Antwort bleiben Sie, Herr Staatsminister, immer noch schuldig. Deshalb nochmals meine Frage: Wie viele Gemeindeschwester plus Stellen kommen zusätzlich? Und zudem scheren Sie alle Kreise und Städte über einen Kamm. 1,5 Stellen pro Landkreis und kreisfreie Stadt, ein tolles Angebot. Aber schauen wir mal auf die Zahlen. Der Kreis Mayen-Koblenz hat über 200.000 Einwohner, Cochem-Zell 62.000, Pirmasens 40.000 Einwohner. Passt das wirklich?
Mal unabhängig von der Diskussion, ob es wirklich eine examinierte Krankenschwester sein muss, die diese Aufgabe mit dem irreführenden Titel Gemeindeschwester plus wahr nimmt – darf diese doch medizinisch gar nichts. Wo ist das plus? Es gibt jetzt übrigens 2 Männer, die sich „Gemeinde-schwester plus“ nennen. Das treibt ja wohl den Genderwahn der Landesregierung auf die Spitze Die Antwort auf Frage 6 ist für uns besonders spannend. Hier gehen Sie Herr Staatsminister Schweitzer auf die Seniorenbeiräte in den Kommunen ein. Ich möchte daran erinnern, dass die Ampel am 1. März 2023 zwar Erleichterungen in der Kinder- und Jugendbeteiligung ermöglicht hat, gleichlautendes aber explizit für Senioren – trotz Antrag der CDU-Fraktion – abgelehnt hat mit der Begründung, dass die kommunalen Gremien sowieso überaltert sind und diese schließlich ein Wahlrecht haben.
Jetzt wiederrum führt Herr Minister Schweitzer aus, dass er mit der Landesseniorenvertretung im Februar 2023 über Seniorenbeiräte in hauptamtlich geführten Kommunen gesprochen habe. Im Anschluss daran hat eine Arbeitsgruppe bestehend aus der Leitstelle „Gut leben im Alter“ des So-zialministeriums und der Landesseniorenvertretung, sowie weiteren einzelnen Seniorenbeiräten gemeinsam einen Vorschlag zur Änderung der Landkreisordnung und der Gemeindeordnung zur Verbesserung der direkten Teilhabe in Kommunen ausgearbeitet.
Die Landesseniorenvertretung hat diesen erarbeiteten Vorschlag sogar in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 22. November 2023 einstimmig beschlossen. Hier zeigt sich, wie sehr es der Landesregierung um Effekthascherei geht. Eine sachlich begründete CDU-Initiative wird von den Innenpolitikern abgelehnt, um dann im neuen Gewand des Kümmerers Schweitzer die Aufer-stehung zu feiern. Man sollte sich um den Preis Plagiat des Jahres bewerben. Mir war auch nicht bekannt, dass jetzt das Sozialministerium für die Änderung der kommunalrechtlichen Vorschriften zuständig ist.
Ich kann nur sagen: Die Antworten, die wir im Rahmen der Großen Anfrage erhalten haben und auch die Zukunftsperspektiven für Senioren sind mehr als dürftig. Die immerzu wiederholenden Verweise auf die Gemeindeschwester plus und die Digibotschafter reichen uns nicht, vor allem reichen sie für unsere Seniorinnen und Senioren in Rheinland-Pfalz nicht. Auch ein Verweis auf die kommunale Zuständigkeit nach § 71 SGB XII, Herr Staatsminister Schweit-zer, entlässt sie nicht aus der Verantwortung. Sie wissen, dass § 71 SGB XII nur dann wirksam wer-den kann, wenn die Länder weitere Bestimmungen treffen und die Kommunen unterstützen, denn nur so lassen sich gleichwertige Lebensverhältnisse für Seniorinnen und Senioren flächendeckend in Rheinland-Pfalz schaffen. Die richtigen Rahmenbedingungen muss das Land vorgegeben. Dies schulden wir unseren älteren Menschen. Dann sind Netzwerke vor Ort wirklich Kümmerer vor Ort, Ansprechpartner und Lotsen, die flächendeckend mit Rat und Tat älteren Menschen zur Seite ste-hen können.
Wir fordern deshalb
1. die Bildung von Seniorenbeiräten durch die Änderung der Gemeinde- und Landkreisord-nung zu erleichtern.
2. einen Seniorenrat auf Landesebene, damit Senioren sich auch auf dieser Ebene mit ihrer Kompetenz einsetzen können und nicht einen Landesfachbeirat, der nur auf dem Papier existiert.
3. eine flächendeckende Beratungs- und Informationsstruktur in den Kommunen u. a. durch Seniorenlotsen
4. eine Befragung älterer Menschen durch das Sozialministerium zu Stand, Praxis und Per-spektiven von Seniorenteilhabe und ‑mitwirkung analog zur Befragung junger Menschen durch das Ministerium für Familien, Frauen, Kultur und
Integration (MFFKI)